„Sie sind im Alltag so prĂ€sent, die alten Leute“, war das ResĂŒmee von Freunden nach einer gemeinsamen Reise durch China, „so selbstverstĂ€ndlich, ja geradezu selbstbewusst sind sie auf den StraĂen und in den Parks zugange.“
Stille und Abgeschiedenheit im chinesischen Park? BloĂ nicht. Die chinesischen Parks gehören den Senioren und das kann man deutlich hören. RĂš nao* ist angesagt und wird von allen hingebungsvoll praktiziert. WĂ€hrend sie an einer Ecke zu ĂŒbersteuerter Boxen-Musik zum Tai Chi ausholen, kleine Opern auffĂŒhren, Walzer tanzen oder an Reckstangen rotieren, greifen andere zum Erhu oder singen. Fasziniert verfolgt unser acht Nasen zĂ€hlender Trupp, wie sich die chinesischen Senioren zu kompletten Parkorchestern zusammenfinden, vor ihrem Publikum los musizieren und dabei eine beeindruckende VirtuositĂ€t hinlegen.
çéč rĂš nao (heiĂ + LĂ€rm)
Das ist der chinesische Ausdruck fĂŒr âbelebt, viel losâ. Ruhe ist den meisten Chinesen heute wesensfremd. Böse Zungen behaupten, dass das Chinesische die einzige Sprache sei, die man nicht flĂŒstern kann. Tja.
Nachts erwacht Guilin zum Leben Guilin – die Senioren formieren sich zu kompletten Orchestern Tanzen im Park Zack. Und rum. HĂŒftumschwung – elegant mit weiĂen Handschuhen in Wuxi. Guilin – an den beleuchteten Tempeln tanzen die Leute Musizieren Etwas leiser die Chinesen, wenn sie Mahjongg spielen oder, wie hier im Bild, chinesisches Schach. Mahjongg, Go oder Schach – Spieler in einem Park am Mondsee in Wuxi
Wenn der KĂŒnstler am Ton vorbei schrammt …

… dann muss man da als Zuhörer durch. Dissonantes Getöse stört die Akteure keineswegs, die absolvieren ihr Programm und das bis zum letzten Ton. Die aufgenommene Szene entstand auf dem KohlehĂŒgel in Peking. Im Pavillon fĂŒhrt ein Ă€lterer Herr seinen Bogen ĂŒber die zwei Saiten seiner Erhu. Die SĂ€nger wechseln. Ein am Rand des Tempels sitzender Zeitungsleser springt plötzlich auf und â da singt er auch schon los.
Im letzten Drittel des Mitschnitts hört ihr das ganze dissonante Durcheinander im Park. Was soll ich sagen: Haltet durch. 03:36 min lang. đ
Axel. (Danke fĂŒr Aufnahme, Schnitt & Co von unserer Reise)
Durchgehalten đ und eine frage. Ich habe letztens in einer Zeitung gelesen, dass es den Ălteren in China nicht so gut gehen soll. Wegen der Ein-Kind-Polituik werden die JĂŒngeren immer weniger und die Alten können nicht betreut werden. Altenheime sind in der chinessischen Kultur sehr umstritten, es gibt wohl auch nicht genĂŒgend PlĂ€tze??? Ist das so?
Hallo Katha,
eine sehr komplexe Frage und bei der GröĂe Chinas wird es wohl auch kaum eine generelle Aussage geben können. Ich kann da nur aus meinen Erfahrungen berichten und wage mich in den nĂ€chsten Tagen mal ran an die Materie.
Bis bald dann.
Durchgehalten! Herrlich đ
Mit Zieleinlauf. GroĂartig! đ
Hallo, ich habe der Fremdheit bis zum Ende gelauscht.
So ein bisschen war ich ja vor gewarnt, ich habe schon mal Sequenzen einer Peking- Oper „genossen“.
Mir fĂ€llt zu den Parks in China ein TV- Bericht ĂŒber einen professionellen „Ohr- Reiniger“ ein. Eine ungewöhnliche Dienstleistung. ,-)
Die chinesischen Parks scheinen aber auch grundsĂ€tzlich anderen architektonischen und sozialen Anforderungen zu genĂŒgen, als die in Europa. Mir fĂ€llt zumindest kein deutscher Park ein, in dem eine TanzflĂ€che angelegt wĂ€re.
Aber ich bin jetzt auch nicht der LandschaftsgÀrtner, es ist also eher meine Meinung.
So ein Platz fĂŒr „alte Knochen“ wĂŒnschte ich mir auch in Deutschland.
GrĂŒĂe
Vorgewarnt ist gut. Ist schon gewöhnungsbedĂŒrftig, auch die Peking-Oper. Da könnte ich auch mal mit einer Audio-Spur nachlegen. Die Parkkonzerte fand ich wiederum sehr, sehr schön. ⊠Hach, der Ohrreiniger. Zu meinem Entsetzen ist das fester Bestandteil eines Frisörbesuchs. Muss man wissen und â mögen. đ
Zu den GĂ€rten gibt es eine Menge zu erzĂ€hlen. Es gibt die klassischen, wie die LiteratengĂ€rten in Suzhou. Diese GĂ€rten sind so ganz anders als unsere europĂ€ischen: weite RasenflĂ€chen wird man vergeblich suchen, ebenso gerade Kieswege, bunte Blumenrabatten, Marmorgöttinnen, Springbrunnen und ParkbĂ€nke. Stattdessen gliedern Mauern, WandelgĂ€nge, Felsen, Zickzack-BrĂŒcken, Teiche und Pavillons das GelĂ€nde, ⊠die landschaftliche Vielfalt mit ihren GegensĂ€tzen â Berge und Wasser â steht im Vordergrund. Alles hat seine Symbolik. ⊠. Und dann gibt es die moderneren Varianten mit den TanzflĂ€chen und Tempeln zum Musizieren oder fĂŒr Tai Chi. Einfach mitmachen. NĂ€chtliches Tanzen im illuminierten Park – das ist wunderbar.
Jetzt wo ich deine Antwort lese, fÀllt mir wieder auch wieder ein, dass die Chinesen ja auch Feng shui haben.
Welches wohl taoistischen Ursprungs ist, und ein völlig anderes „Raumkonzept“ prĂ€sentiert, als alles, was wir Langnasen kennen. Das war ja Anfang der 2000er Jahre kurzfristig auch hier hipp.
Unsere „LandschaftsgĂ€rten“ werden eigentlich erst durch Abwesenheit von Menschen schön, sie sollten eine idealisierte Natur nachbilden.
Sieht so aus als ob die Chinesen doch eher einen „alles einfassenden“/ harmonischeren Stil pflegen. Ying und Yang und so. Mir fehlen gerade die Begrifflichkeiten.
Danke fĂŒr deine schönen Spotlights aus einer uns fremden Kultur.
GrĂŒĂe
Gern! Auch weil ich mit den Plaudereien immer neue Ideen bekomme. đ
Danke, sehr eindrucksvoll! Die Akustik hat etwas ungemein UrsprĂŒngliches, fast wie eine Getöse vor hunderten Jahren….
In der Tat, sehr speziell das Ganze. Und, mal ehrlich, bis zum Ende durchgehalten? đ